06.05.2021
§ 45 des Straßen- und Wegegesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (StrWG - MV) bestimmt, dass neue Landesstraßen nur gebaut oder bestehende nur geändert werden dürfen wenn der Plan vorher festgestellt ist. Es ist für diese Baumaßnahme also ein sogenanntes Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Dabei handelt es sich um ein stark formalisiertes Entscheidungsverfahren. Notwendig ist ein solches formstrenges und aufwändiges Verfahren, weil durch die Genehmigung für z.B. einen Straßenbau nicht nur einzelne Menschen, sondern eine Vielzahl von Bürgern betroffen sind sowie zahlreiche widerstreitende private und öffentliche Interessen abzuwägen und Rechtsfragen (z.B. Fragen des Naturschutzes) zu klären sind.
Am Ende dieses Verfahrens steht dann der Planfeststellungsbeschluss, durch den die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt und alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt werden (§ 75 Abs. 1 VwVfG MV). Die straßenrechtliche Planfeststellung ersetzt alle nach anderen Rechtsvorschriften notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen. Diese sog. Konzentrationswirkung ist der wesentliche Grund für das Planfeststellungsverfahren, ohne die ein komplexes Vorhaben wie z.B. ein Straßenbau kaum realisiert werden könnte. Es wird also alles einmal, dafür aber umfassend, quasi „in einem Abwasch“ erledigt.
Wie läuft das Verfahren ab?
Im Mittelpunkt des Planfeststellungsverfahren steht das sog. Anhörungsverfahren, welches in § 73 des Landesverwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG M-V) geregelt ist.
Der Vorhabenträger, in unserem Fall das Straßenbauamt in Schwerin als zuständiger Straßenbaubehörde für die Landesstraßen im Bereich des Landkreises Nordwestmecklenburg stellt einen Antrag an das Landesamt für Straßenbau und Verkehr Mecklenburg-Vorpommern und reicht dort einen Plan über das Bauvorhaben ein.
Das in Rostock ansässige Landesamt für Straßenbau und Verkehr ist Planfeststellungsbehörde und zugleich Anhörungsbehörde. Durch das Landesamt wird der Plan nun allen Behörden, deren Aufgabenbereich berührt ist, zur Mitwirkung übermittelt. Nach § 73 Abs. 2 wird der Plan außerdem den Ämtern, in denen sich das Vorhaben auswirkt, hier also dem Amt Rehna, zur Auslegung übersandt. Der Beginn der Auslegung ist ortsüblich bekanntzumachen. Im Fall der Straßensanierung in Stove soll es im zweiten Quartal 2021 zur Planauslegung kommen.
Die Auslegung erfolgt für eine Frist von 4 Wochen. Innerhalb von insgesamt 6 Wochen nach Beginn der Auslegung kann nun jeder dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden schriftlich oder zur Niederschrift Landesamt für Straßenbau und Verkehr in Rostock oder beim Amt Rehna Einwendungen gegen den Plan erheben (§ 73 Abs. 4 VwVfG-MV). Auch ohne selbst betroffen zu sein, können anerkannte Vereinigungen, wie etwa der Bund für Umwelt- und Naturschutz Stellungnahmen abgeben.
Nach Ablauf der Einwendungsfrist hat das Landesamt für Straßenbau und Verkehr die rechtzeitig gegen den Plan erhobenen Einwendungen, die rechtzeitig abgegebenen Stellungnahmen von Vereinigungen sowie die Stellungnahmen der Behörden zu dem Plan mit dem Träger des Vorhabens, den Behörden, den Betroffenen sowie denjenigen, die Einwendungen erhoben oder Stellungnahmen abgegeben haben, zu erörtern. Der Erörterungstermin ist mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen. Im Anhörungstermin soll das Landesamt für Straßenbau und Verkehr als Anhörungsbehörde in der Funktion eines neutralen Mittlers darauf hinwirken, dass Unklarheiten über das Vorhaben und seine Auswirkungen ausgeräumt und vor allem ein gütlicher Ausgleich aller widerstreitenden Interessen erzielt wird.
Danach ist es an der Planfeststellungsbehörde, die in diesem Fall ebenfalls das Landesamt für Straßenbau und Verkehr ist, unter Berücksichtigung aller Einwendungen und Stellungnahmen den Plan festzustellen. Zwar könnte das Landesamt den Plan auch an das Straßenbauamt zurückgeben, weil etwa erhobene Einwendungen für so erheblich erachtet werden, dass der Plan nicht genehmigt wird. In der Regel kommt es jedoch lediglich zu Änderungen des ursprünglichen Plans oder auch nur zur Zurückweisung der Einwendungen. Der festgestellte Plan entscheidet über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem geltenden Recht und ersetzt außerdem alle anderen sonst erforderlichen Genehmigungen, wie z.B. die sonst erforderliche Befreiung vom Verbot der Beseitigung einer Allee durch die Naturschutzbehörde (§ 19 Abs. 2 Naturschutzausführungsgesetz - NatSchAG M-V).
Bei dem Planfeststellungsbeschluss handelt es sich um einen sog. Verwaltungsakt, der wiederum mit einer Klage vor den Verwaltungsgerichten angefochten werden kann. Allerdings können hier jetzt keine neuen Argumente vorgetragen werden, sondern nur diejenigen, die der Kläger auch im Anhörungsverfahren vorgebracht hat.
Wann geht’s los mit dem Straßenausbau?
Sobald der Planfeststellungsbeschluss bestandskräftig geworden ist, kann das Straßenbauamt Schwerin mit der Umsetzung der Maßnahme beginnen. Bestandskraft tritt ein, wenn innerhalb der Klagefrist keine Klage von Bürgern oder Umweltverbänden erhoben wird. Wann Bestandkraft eintritt, ist derzeit offen. -------------------------------------------------------------------------------------------------------
10.03.2021
Von den Befürwortern der derzeit geplanten Straßensanierung in Stove, die mit einer Verbreiterung des Straßenkörpers auf ca. 6 Meter einhergeht, wird regelmäßig darauf verwiesen, dass für die geplante Fällung der Linden Ersatzpflanzungen vorgesehen seien, wodurch der Verlust der alten Bäume wieder ausgeglichen würde.
Es ist tatsächlich so, dass das Bundesnaturschutzgesetz in §15 Absatz 2 den Verursacher von Eingriffen in Natur und Landschaft verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Diese Regelungen werden in Mecklenburg näher konkretisiert durch das Gesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Ausführung des Bundesnaturschutzgesetzes(Naturschutzausführungsgesetz - NatSchAG M-V). Bei genehmigten Bauvorhaben, die zu Eingriffen in Natur und Landschaft führen, wie etwa der Fällung von Alleebäumen bestimmt § 29 Absatz 3 NatSchAG M-V, dass die zuständige Behörde insbesondere im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, rechtzeitig und in ausreichendem Umfang Neuanpflanzungen vorzunehmen oder für deren Durchführung zu sorgen hat, um den Alleenbestand nachhaltig zu sichern.
Einzelheiten zu den vorzunehmenden Neuanpflanzungen enthält wiederum der Erlass zu Schutz, Pflege und Neuanpflanzung von Alleen und einseitigen Baumreihen in Mecklenburg-Vorpommern vom 18.12.2015 -Alleenerlass- ) (AmtsBl. M-V 2016 S. 9). Die in dem Fall der Planungen in Stove mit dem Argument einer erhöhten Verkehrssicherheit begründeten Baumfällungen führen nach Nummer 5.2 des Alleenerlasses dazu, dass die Fällungen im Verhältnis 1 : 3 kompensiert werden sollen. Dies bedeutet, dass nach dem Grundsatz des Alleenerlasses für jede gefällte Linde drei neue Bäume gepflanzt werden müssten. Allerdings macht der Alleenerlass bereits im nächsten Satz von diesem Grundsatz wieder eine Ausnahme, denn dort ist zu lesen: „Von den drei zu kompensierenden Bäumen je gefälltem Baum soll ein Baum gepflanzt werden.“ Juristisch wird die Straßenbaubehörde also nicht derart zu Ersatzpflanzungen verpflichtet, dass sie diese zwingend vornehmen muss. Sie soll nur anpflanzen, denn Eine Soll-Vorschrift ist eine mehr oder minder eindringliche Empfehlung eines Normgebers, nicht mehr. Und der Normgeber hat dann auch im folgenden Satz des Alleenerlasses ein Hintertürchen geöffnet, dort steht: „Die für Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit (Maßnahmen nach Nummer 4.2) nicht in Natur (durch Pflanzung) kompensierten Bäume werden durch Zahlung von 400 Euro je Baum in den Alleenfonds kompensiert.“
Dabei ist leider festzustellen, dass seitdem der Alleenerlass die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für die Fällung von Alleebäumen in Mecklenburg-Vorpommern näher konkretisiert, die Ausnahme zur Regel geworden ist und nicht einmal für jeden an Landesstraßen gefällten Baum auch nur ein Baum als Ersatz gepflanzt wird.
Für je 10 gefällte Bäume wurden nur etwa 7 Ersatzpflanzungen vorgenommen! Nachzulesen ist dies in einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zu Baumfällungen entlang von Bundes- und Landesstraßen vom 09.03.2020 (Landtagsdrucksache 7/4702).
Für die in den Jahren 2016 bis 2018 gefällten 5.679 Alleebäume wurden nur 3.849 neu angepflanzt. Der Rest wurde offenbar über Ausgleichszahlungen in den Alleenfond abgewickelt.
Für Stove bedeutet dies, dass die Schweriner Straßenbaubehörde für die 25 vorgesehenen Fällungen nur 25 neue Bäume anpflanzen soll (nicht muss). Die restlichen 50 Neuanpflanzungen könnten durch Zahlung von 20.000,- € abgegolten werden, wenn nicht gar gleich mit 30.000,- € dem Alleenerlass Genüge getan wird, ohne eine einzige Ausgleichspflanzung vorzunehmen.
Die Zahlen, die die Landesregierung über vorgenommene Fällungen und Ausgleichspflanzungen mitgeteilt hat, lassen jedenfalls erhebliche Skepsis gegenüber dem Argument der Ersatzpflanzungen zurück!